Zwischen Anspruch …
In der DDR galt die Gleichberechtigung der Geschlechter als erreicht. Bereits mit der Staatsgründung 1949 wurde in Artikel 7 der Verfassung verankert: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“
Sport besaß in diesem Kontext einen hohen Stellenwert und sollte gemäß Artikel 25 (3) der Verfassung spätestens seit 1968 durch Staat und Gesellschaft gefördert werden. Dies geschah unter dem Dach der an den Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) angegliederten Sportinstitutionen.
Sportliche Aktivität im Leistungs-, Freizeit- oder Breitensport sollte ein integraler Bestandteil der sozialistischen Persönlichkeit sein. Hierbei wurde an die Traditionslinie des Arbeitersports angeknüpft, der die Beteiligung von Frauen unter die Prämisse stellte, zur Durchsetzung der sozialistischen Gesellschaft beizutragen.
… und Wirklichkeit
Neben dem in der DDR staatlich massiv geförderten Leistungssport sollte der Breitensport einen erleichterten Zugang zu sportlichen Aktivitäten an den jeweiligen Wohn- und Arbeitsorten ermöglichen. Dies geschah über die verschiedenen Sportgemeinschaften.
Allerdings blieb Frauen aufgrund der hohen Beanspruchung durch Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung wenig Freizeit übrig, in der sie hätten Sport treiben können. Die Zahl weiblicher Mitglieder im DTSB stieg zwar bis zum Ende der DDR an, erreichte insgesamt jedoch nie mehr als 29 Prozent.
„Jedermann an jedem Ort mehrmals in der Woche Sport.“ – Dieses Zitat Walter Ulbrichts steht exemplarisch für den Anspruch der DDR an die gesamtgesellschaftliche Rolle des Sports, und schloss auch Frauen mit ein.
In der DDR wurde Breitensport in weiten Teilen mit Wettkampforientierung betrieben, was den Sportbedürfnissen und der Lebenssituation von Frauen jedoch nur bedingt entsprach.
Seit den 1970er Jahren fanden sie deswegen zunehmend alternative Möglichkeiten, um Sport zu treiben. Neben individueller körperlicher Betätigung waren es vor allem die in zahlreichen Wohngebieten entstandenen Sport- und Gymnastikgruppen, die bei Frauen und Mädchen Anklang fanden.
Ab den 1980er Jahren wurde der nicht ins Wettkampfsystem eingebundene Freizeit- und Erholungssport staatlich verstärkt gefördert.
Viele Frauen wurden nun vom Aerobic-Fieber angesteckt – es entstand das Phänomen der „Pop-Gymnastik“. Mithilfe vom ehrenamtlichen Engagement vieler Übungsleiterinnen wurden meist in Wohnortnähe zahlreiche Pop-GymnastikGruppen eingerichtet.
Im April 1969 erklärte das SED-Politbüro: Männerfußball ist Leistungssport, Frauenfußball nicht. Stattdessen sollten Frauen lieber olympische Medaillen in der Leichtathletik, dem Turnen oder Schwimmen gewinnen, um damit zum internationalen Ansehen der DDR beizutragen.
Fußball für Frauen wurde daher in der DDR lange als Breiten- und Freizeitsport ohne staatliche Förderung betrieben.
Am 9. Mai 1990 bestritt das DDR-Nationalteam der Frauen ihr erstes und einziges Länderspiel gegen das Team der Tschechoslowakei (ČSFR).
Leistungssport in der DDR wurde staatlich gefördert, um über sportliche Erfolge zur internationalen Anerkennung der DDR beizutragen. Die Athletinnen und Athleten galten deswegen als „Diplomaten im Trainingsanzug“.
Zu den Erfolgsfaktoren des seit den 1950er Jahren geschaffenen Leistungssportsystems gehörten die flächendeckende frühe Talentsichtung und ein gestuftes Fördersystem mit steigender Trainingsbelastung, die sportwissenschaftliche Begleitung bis hin zur Vergabe von Dopingmitteln. Wesentlich war zudem die soziale Absicherung während der Sportkarriere.
In dieses System waren Sportlerinnen und Sportler gleichermaßen eingebunden. Dass Frauen in der DDR in ihren leistungssportlichen Ambitionen nicht durch traditionelle Weiblichkeits- und Schönheitsideale gebremst wurden, kann als zusätzlicher Erfolgsfaktor und Wettbewerbsvorteil gesehen werden. So waren es in hohem Maße Sportlerinnen, die mit herausragenden Leistungen Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften für die DDR gewannen.
Ost-Berlin am 26. November 1988: Die erfolgreichsten Eisschnellläuferinnen der DDR – Karin Kania (heute Enke), Gabi Schönbrunn (heute Zange) und Andrea Ehrig – erklären gemeinsam ihren Rücktritt aus dem Leistungssport. Bis dato hatten sie die internationale Spitze im Eisschnelllauf mit entsprechenden Medaillenerfolgen angeführt.
Die staatliche Wiedervereinigung Deutschlands 1990 brachte vor allem für die neuen Bundesländer große Veränderungen. Insbesondere Frauen waren von Herausforderungen wie dem Wegfall ihres Arbeitsplatzes und der Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen betroffen.
Die Sportstrukturen der DDR wurden ebenfalls aufgelöst, eine Neustrukturierung wurde durch das Wegbrechen der zumeist an Betriebe geknüpften Sportinfrastruktur erschwert. Nach und nach wurden neue Möglichkeiten mit vielfältigeren Sportangeboten über den Wettkampfsport hinaus geschaffen, die mehr Frauen erreichten.
In Führungspositionen sind sie jedoch bis heute unterrepräsentiert. Der Weg bis zur tatsächlichen Geschlechtergleichstellung ist ebenso wie der gesamte Transformationsprozess im Sport noch immer nicht abgeschlossen.
BSG – Betriebssportgemeinschaft
DHfK – Deutsche Hochschule für Körperkultur
DTSB – Deutscher Turn- und Sportbund
HSG – Hochschulsportgemeinschaft
KJS – Kinder- und Jugendsportschule
NOK – Nationales Olympisches Komitee
SC – Sportclub
SSG – Schulsportgemeinschaft
WSG – Wohnsportgemeinschaft
„Ich war seit 1989 hauptamtlich Leitung im Sportensemble. Das war alles schon ein bisschen schwierig, aber auch schön. Dann kam die Wende – ich war eigentlich Lehrer – und jeder hat zu mir gesagt: ‚Du musst unbedingt wieder in den Lehrerberuf gehen. Du hast sonst keine Chance, das wird alles platt gemacht.‘ Und ich habe gesagt: Das geht doch nicht, man kann doch diese Arbeit nicht einfach unter den Tisch kehren.“
„Man hat eine WSG gegründet und einen Antrag gestellt, damit man Anrecht auf Zeiten in der Turnhalle hatte. Dann kam die Wende und wir haben uns zusammengesetzt, wie es weiter geht. Damals in der ganz frühen Phase war die Anmeldung als Verein kostenlos. Wir haben sofort einen Sportverein gegründet, den Fortuna Leipzig Thekla e. V. Also nahtloser Übergang.“
→ Grafik von Petra Tzschoppe, erstellt nach Zahlen des Statistischen Jahrbuchs 1989 der DDR
→ Brigitte Stiehl, 2023. Interview durch Pina Bock und Katharina Wolf. Chemnitz, 20.9.2023
→ Ute Lohs, 2024. Interview durch Pina Bock und Katharina Wolf. Leipzig, 6.3.2024
→ Grafik Petra Tzschoppe, Daten DOSB 2024
→ „Jedermann an jedem Ort, mehrmals in der Woche Sport“, Zündholzschachteletikett, DDR-Repro, Sammlung Prax Berlin (Rechte vorbehalten)
→ „Pop-Gymnastik“, 1986 (© Claudia Mokrzki / Deutsches Hygiene-Museum Dresden)
→ Erstes Länderspiel Frauenfußball DDR (© BArch, Bild 183-1990-0510-415 / Klaus Franke)
→ Karin Balzer, 1963 (© BArch, Bild 183-B1002-0014-001 / Ulrich Kohls)
→ Andrea Ehrig, Gabi Zange, Karin Kania und Sabine Brehm 1988 (© BArch, Bild 183-1988-1126-017 / Klaus Oberst)
→ Brigitte Stiehl (Privatfoto)
→ Ute Lohs (Privatfoto)