Turnen galt lange als Männersache, dennoch drängten Frauen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt in die Turnvereine. Sie blieben noch ohne Stimmrecht und durften nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit turnen. Die Turnerinnen wollten jedoch auch öffentlich auftreten und Wettbewerbe durchführen, obwohl gerade dies besonders verpönt war.
1893 gab es zwar beim Stiftungsfest des Leipziger Allgemeinen Turnvereins 1845 die Wettkampfdisziplin „Damenwettturnen im Schwebegehen, Schleuderball und Reifenwerfen“ – allerdings wagte man nicht, die Namen der Siegerinnen zu veröffentlichen, „da die Erlaubniß der mit Blumenbouquets belohnten holden ‚Turnschwestern‘ leider fehlte“.
Es entstand auch jenseits des Turnens eine völlig neue Sportkultur für Frauen, um sich auszuprobieren und im Wettkampf zu messen. So fand am 13. Juli 1890 in Machern bei Leipzig das erste reine Damenradrennen auf Dreirädern in Deutschland statt; die Siegerin erhielt als Preis eine Brosche sowie eine Schürze aus Seide.
„In Anbetracht der Steigung von Gerichshain aus sind die Leistungen der Damen, insbesondere der ersten, als sehr gute zu bezeichnen. Frau Matthäi nahm die Steigung in tüchtigem Spurt und sicherte sich damit den 1. Preis.“
Seit 1860 wurden Turnfeste als „Messe der Turnkultur für Alle“ gefeiert, meinten jedoch zunächst nur Männer. Frauen waren zum ersten Mal 1894 beim VIII. Turnfest in Breslau beteiligt, wo 50 ortsansässige Turnerinnen mit Frei- und Ordnungsübungen sowie Hantelschwüngen für Aufsehen sorgten. Jedoch spielten Frauen auch bei den nächsten Turnfesten nur eine marginale Rolle.
Erst 1913 in Leipzig, beim 12. Turnfest, wurde eine sogenannte Festfreiübung der Turnerinnen offiziell in das Programm aufgenommen. Das progressive Klima in Leipzig hatte, ebenso wie die große Zahl turnender Mädchen und Frauen in der Stadt, zu diesem Erfolg beigetragen.
Noch sieben Jahre zuvor hatten Funktionäre der Deutschen Turnerschaft entschieden, dass Frauen auf Turnfesten nur im Rock erscheinen dürften, nun fanden die Leipziger Turnerinnen mit ihrem „Beinkleid“ – der Pluderhose – viel Aufmerksamkeit und verhalfen dem Frauenturnen so zu wachsender Popularität.
In der Weimarer Republik wandelten sich die Turnfeste, das traditionelle Programm wurde zunehmend um Wettkämpfe erweitert. Die veränderte gesellschaftliche Rolle der Frau spiegelte sich zuerst 1922 beim ersten Deutschen Arbeiter-Turn-und Sportfest in Leipzig wider. In unterschiedlichen Wettkämpfen sowie mit anspruchsvollen Freiübungen demonstrierten zahlreiche Arbeitersportlerinnen ihre Leistungsfähigkeit.
Die Tradition der Arbeiter-Turn-und Sportfeste wurde bei den Turn- und Sportfesten in der DDR fortgesetzt. Hilda Riedeberger (geb. Seidler) gestaltete seit den 1950er Jahren die Massenübungen der Frauen. Sie hatte selbst bereits 1922 sowohl an den Massenübungen als auch am Mehrkampf teilgenommen.
2025 ist Leipzig zum 13. Mal Gastgeberstadt eines Turnfestes – häufiger als jede andere Stadt. Es werden 80.000 im Sport Aktive, 4.000 Freiwillige und 750.000 Gäste erwartet, 70 Prozent der Teilnehmenden werden Mädchen und Frauen sein.
Und heute?
Unter den rund fünf Millionen Mitgliedern in den deutschen Turnvereinen beträgt der Anteil der Mädchen und Frauen inzwischen knapp 70 Prozent. Im Sächsischen Turnverband sind sogar mehr als 80 Prozent der Mitgliedschaft weiblich. In den Leitungsfunktionen sind Frauen jedoch noch immer eine Minderheit. So wurde der Deutsche Turnerbund bis heute noch nie von einer Präsidentin geführt.
Die Olympische Bewegung wirkt heute als wichtige Kraft für die Gleichstellung der Geschlechter im und durch den Sport. Bis zur paritätischen Teilnahme von Sportlerinnen in Paris 2024 waren erhebliche Hürden zu überwinden.
In keinem einzigen Wettkampf waren in Athen 1896 Frauen startberechtigt, den Zugang zu den Olympischen Spielen haben sich die Athletinnen gegen Widerstände erkämpft.
Nach und nach wurde die Bandbreite der Sportarten, Disziplinen und Wettbewerbe für Frauen im Olympischen Programm erweitert. In anderen Bereichen besteht weiterhin Handlungsbedarf, etwa bei der Beteiligung von Frauen als Trainerinnen und haupt- oder ehrenamtliche Funktionärinnen, oder hinsichtlich der diskriminierungsfreien Teilhabe von trans- und intergeschlechtlichen Athlet:innen.
Seit 1896 haben sächsische Sportlerinnen und Sportler fast 600 Medaillen in 35 Sommer- und Wintersportarten bei Olympischen Spielen und den Paralympics erkämpft. Frauen gewannen 98 der insgesamt 216 Goldmedaillen, obwohl sie deutlich weniger Medaillenchancen als Männer hatten, da viele Sportarten erst spät für sie in das Olympische Programm aufgenommen wurden. Insgesamt erkämpften 66 Sportlerinnen zwischen 1912 und 2022 olympisches oder paralympisches Gold für Sachsen, einige von ihnen standen mehrfach auf dem obersten Podest.